Wichtigstes Instrument beim Abbau notleidender Kredite ist ein funktionierendes Steuerungselement in Form einer NPL-Strategie. Darin entwickelt die Bank Ansätze und Ziele für eine effektive Reduzierung des NPL-Bestandes über einen vordefinierten Zeitraum. Wichtig ist, bei der Erstellung zwar ehrgeizig zu planen, aber auch von einem realistischen Zeitraum auszugehen.
Entsprechende Planungen sollten vier Elemente enthalten:
1. Analyse des operativen Geschäftsfelds
2. Entwicklungsprognose und Kapazitätsbedarf
Ebenso gilt es, einen Überblick über die bislang bei NPL ergriffenen Maßnahmen bis hin zu Forbearance und deren Wirkung zu erhalten. Am Ende der internen Betrachtungen steht die Erfassung der operativen Kapazitäten. Welche Prozesse, Instrumente und vor allem Kompetenzen sind vorhanden? Wie sieht die IT-Unterstützung aus, welche Leitlinien existieren und wie laufen die Entscheidungsfindungsprozesse? Anhand dieser Selbsteinschätzung lassen sich eigene Stärken ebenso ermitteln wie Fähigkeitslücken, die zu schließen sind. Diese Nabelschau sollten Banken mit relevantem NPL-Portfolio jährlich wiederholen und soweit erforderlich auch durch unabhängige Experten begleiten lassen.
Externe Faktoren
Natürlich ist die Entwicklung von NPL auch stark von externen Faktoren geprägt. Diese sind zunächst zu identifizieren und – soweit möglich – quantitativ und qualitativ zu erfassen. Welche Einflüsse relevant sind, kann unterschiedlich ausfallen. Grundsätzlich ist aber eine Beurteilung der gesamtwirtschaftlichen Lage unumgänglich. Die insoweit herrschenden Bedingungen sollten dynamisch beobachtet und entsprechend berücksichtigt werden. Bedeutend ist hier auch die Dynamik des Immobilienmarktes und seiner Einzelsegmente und – soweit nötig – Einzelbetrachtungen im NPL-Portfolio stark repräsentierter Wirtschaftszweige. Ebenfalls ist eine regelmäßige Rückkopplung mit externen Beteiligten wie Rating-Agenturen, Marktanalysten, Researchern und Kunden erforderlich. Deren Einschätzungen zu akzeptablen NPL-Beständen und der damit verbundenen Risikodeckung sind festzuhalten. In die Betrachtung gehören zusätzlich die erzielbaren Konditionen bei Portfolioverkäufen, Konditionen für ein eventuelles Outsourcing von Verwaltungs- und Abwicklungsleistungen und natürlich die Darstellung des rechtlichen und regulatorischen Rahmens.
Auswirkungen auf die Eigenkapitalausstattung
Zu guter Letzt sind auch die Eigenkapitalauswirkungen der NPL-Strategie zu prüfen. Die Kapitalausstattung und deren Entwicklungsprognose sind wichtige Parameter für die Festlegung von Umfang und Geschwindigkeit der Portfoliobereinigung. Die Berechnung verschiedener Modelle unter Annahme unterschiedlicher wirtschaftlicher Szenarien dient zur Darstellung der Auswirkungen dynamischer Entwicklungen. Die Bewertung der Ergebnisse orientiert sich an den Bedingungen des Risk Appetite Framework (RAF) und des ICAAP-Verfahrens. Häuser mit dünnem Kapitalpuffer und mangelnder Rentabilität sollten bei ihrer Kapitalplanung darauf abstellen, ihre Bilanzen dauerhaft um NPL zu bereinigen.
Liegt die Selbsteinschätzung vor, folgt eine Prüfung der möglichen Umsetzungsoptionen einer NPL-Strategie einschließlich ihrer finanziellen Auswirkungen. Zu den Optionen zählen unter anderem:
Banken sollten ihre NPL-Strategie nicht auf einer einzelnen Option aufbauen, sondern verschiedene Methoden kombinieren, auch unter Berücksichtigung kurz-, mittel und langfristiger Ziele. Je nach gesamtwirtschaftlicher Entwicklung können mit der Zeit auch Optionen, die zunächst nicht infrage kamen, interessant werden, zum Beispiel bei einem Anstieg der Anlegernachfrage.
Notfalls früh abschreiben
Am Ende kann auch die Einschätzung stehen, dass die vorhandenen Umsetzungsoptionen mittel- bis langfristig nicht zu einem effizienten NPL-Abbau führen. Dann sind zeitnah angemessene Wertberichtigungen vorzunehmen. Uneinbringliche Kredite sollten zeitnah abgeschrieben werden. Letztendlich können auch die Übertragung von NPL-Risiken und Verbriefungstransaktionen den Banken Vorteile hinsichtlich Refinanzierung, Liquiditätsmanagement, Spezialisierung und Effizienz verschaffen. In der Regel handelt es sich dabei jedoch um komplexe Prozesse, bei deren Durchführung Sorgfalt geboten ist.
Wie viele NPL sind verträglich
Vor der quantitativen Zielsetzung sollten sich Banken darüber klar werden, welche Bestände von NPL in welchen Portfolios langfristig zu vertreten sind. Auch bei Unsicherheiten über den erforderlichen Zeitrahmen zur Erreichung der Vorgaben sollten die Daten fixiert werden. Internationale oder historische Vergleichsgrößen können bei den entsprechenden Festlegungen helfen, vor allem bei einem angespannten gesamtwirtschaftlichen Umfeld. Die Erwartungen an eben dieses Umfeld sollten zudem keineswegs die einzige Bestimmungsgröße für die NPL-Abbauziele sein. Gerade Häuser mit sehr hohen NPL-Beständen sollten klar definierte quantitative Ziele festlegen und diese auch vom Leitungsorgan des Instituts genehmigen lassen. Folgende Dimensionen sollten bei der Bestimmung der Zielwerte mindestens abgedeckt sein:
Minimalanforderung an einen Implementierungsplan sind Aussagen zu folgenden Punkten:
Klare Strukturen schaffen
Für die Umsetzung kommt es darauf an, notwendige Richtlinien und Verfahren zügig zu entwickeln und klare Zuständigkeits- und Entscheidungsstrukturen zu schaffen. Bei erkennbaren Planabweichungen gilt es so schnell wie möglich, Abhilfe zu schaffen. Davon unberührt ist die Leitung des Instituts zeitnah zu unterrichten. Bei einigen Instituten mag im Rahmen der Implementierung der NPL-Strategie ein weitreichendes Change Management nötig werden, um das Rahmenkonzept für die NPL-Abwicklung dauerhaft in der Unternehmenskultur zu etablieren.
Direkt mit der NPL-Abwicklung betraute Mitarbeiter und Manager sollten ferner Anreize bekommen, ihre Zielvorgaben zu erreichen. Insbesondere ist Vorsicht geboten, ob im Zuge der gewollten Reduzierung bei NPL nicht möglicherweise tarifwirksame Veränderungen zulasten der Beschäftigten auftreten können. Das würde der Grundidee eines Anreizsystems zuwider laufen. Nötigenfalls sind Vergütungsrichtlinien und Rahmenkonzepte zur Leistungsüberwachung entsprechend anzupassen.
Natürlich muss die NPL-Strategie auch in die Regelungen zur Risikokontrolle einfließen. Hier sind insbesondere die Integration in ICAAP und die Definition von RAF-Kennzahlen und -Grenzwerten zu nennen. Gegebenenfalls ist auch ein eventuell vorhandener Sanierungsplan auf mögliche Auswirkungen zu prüfen. Dass Geschäftsplan und Budget die NPL-Strategie widerspiegeln müssen, versteht sich von selbst.
Auch wenn es sich bei der NPL-Strategie zuallererst um ein bankinternes Dokument handelt, sollten sich Institute mit hohen Beständen aufsichtsrechtlich absichern und Strategie samt Implementierungsplan zeitnah bei den zuständigen Aufsichtsgremien einreichen. Ohnehin ist es ratsam, wenn Banken sich bereits in der Frühphase einer NPL-Strategieentwicklung mit den Aufsichtsgremien ins Benehmen setzen.
In der nächsten Folge unserer Beitragsserie erfahren Sie weitere Einzelheiten zu Ablauforganisation und Governance.
Hanns-Jörg Neumann
Managing Consultant
+49 151 74660083
Hanns-Joerg.Neumann(at)ppi.de