Schuldner sollen langfristig wieder in der Lage sein, ihren Kredit komplett zurückzuzahlen – das ist kurz zusammengefasst das Ziel jeder Forbearance-Maßnahme. Entsprechende Vereinbarungen müssen und sollen jedoch nicht erst dann auf den Weg gebracht werden, wenn der Kredit den Status „Notleidend“ erreicht hat, sondern möglichst schon im Vorfeld. Funktionierende Frühwarnsysteme sind daher wichtiger Teil einer Forbearance-Strategie.
Die Aufsichtsbehörden stellen immer wieder fest, dass nicht alle Forbearance-Lösungen zum gewünschten Erfolg führen. So zum Beispiel, wenn Vereinbarungen über mehrfachen Zahlungsaufschub, eine generelle Überschuldung des Kreditnehmers gemessen an seiner Rückzahlungsfähigkeit außer Acht lassen. Das kann zu einer falschen bilanziellen Darstellung der Aktiva-Qualität führen. Dementsprechend legt die Aufsicht besonderes Augenmerk auf Forbearance-Richtlinien, bei denen die Tragfähigkeit als Hauptkriterium im Vordergrund steht und die klar definieren, dass Kredite ohne tragfähige Perspektive zeitnah erfasst und in der Bilanz ausgewiesen werden. Unter anderem sind folgende Punkte ausschlaggebend:
Kurzfristige Maßnahmen sollten nicht länger als zwei Jahre, bei Projektfinanzierungen und dem Bau von Gewerbeimmobilien nicht länger als ein Jahr, dauern. Zielsetzung ist die kurzfristige Bereinigung finanzieller Probleme, ohne selbst Zahlungsrückstände zu beseitigen. Geeignet hierfür sind Kreditnehmer, die
Beide Kriterien müssen erfüllt sein. Jede Forbearance-Vereinbarung an sich sollte Prüfungsberechtigungen für die Bank enthalten. Das macht die Durchsetzung günstigerer Konditionen für das Institut möglich, sollte sich die Situation auf Seiten des Schuldners verbessern. Für den Fall der Nichterfüllung der getroffenen Absprachen sollten gegebenenfalls strenge Konsequenzen in den Vertragsbedingungen festgelegt sein.
Tragfähige und nicht tragfähige Lösungen
Wichtig ist vor allem die Unterscheidung zwischen solchen Forbearance-Lösungen, die zu einer tatsächlichen Gesundung des Kredits beziehungsweise Kreditnehmers führen und solchen, die keine tragfähige wirtschaftliche Grundlage haben. Die auf diese Einstufung zielende Prüfung muss die finanziellen Merkmale des Schuldners und die beabsichtigte Forbearance-Maßnahme berücksichtigen. Außerdem soll sie unabhängig von der Grundlage für die Gewährung stattfinden, also auch bei Inanspruchnahme vertraglich zugesicherter Forbearance-Klauseln.
Lösungen mit langfristigen Forbearance-Maßnahmen sind dann tragfähig, wenn
Kurzfristige Forbearance-Maßnahmen gelten in der Regel nur dann als tragfähig, wenn
Die gängigsten Forbearance-Maßnahmen
Für den gesamten Maßnahmenkatalog gilt, dass langfristige Maßnahmen immer durch kurzfristige ergänzt werden können. Der Katalog ist keinesfalls abschließend.
Kurzfristige Maßnahmen:
Langfristige Maßnahmen:
Standardisierung und Entscheidungsbäume
Die für die Behandlung von NPL erlassenen Richtlinien und Verfahren sollten nach Möglichkeit eine Auswahl nachhaltiger und wirksamer Forbearance-Lösungen enthalten. Die vorgenommene Portfoliosegmentierung unterstützt dabei insoweit, dass sich für die unterschiedlichen Segmente jeweils zugeschnittene Lösungen festlegen lassen. Für heterogene Kreditnehmersegmente mit wenig komplexen Risikopositionen können Banken durchaus standardisierte Forbearance-Produkte entwickeln und darauf abgestimmte „Entscheidungsbäume“ in die NPL-Prozesskette mitaufnehmen. Das ermöglicht eine konsistente und an genehmigten Kriterien ausgerichtete Abwicklungsstrategie und erleichtert die Einführung standardisierter Abläufe.
Vergleich mit anderen Optionen
Zur Ermittlung der am geeignetsten Abwicklungsoption ist die Verwendung eines auf dem Nettobarwert (Net Present Value, NPV) gestützten Ansatzes sinnvoll. In die Berechnung fließen relevante Parameter wie zum Beispiel Verwertungszeitraum, Abzinsungssatz, Kapital- und Verwertungskosten ein. Ergebnis muss eine Gegenüberstellung des NPV möglicher Forbearance-Maßnahmen und des NPV anderer Möglichkeiten wie Inbesitznahme oder ähnlichem sein. Das Spektrum der infrage kommenden Optionen sollten Banken laufend weiter prüfen und je nach Ergebnis alternative Möglichkeiten realisieren.
Meilensteine und Kontrollverfahren
Alle Vereinbarungen mit dem Kreditnehmer sollen definierte Meilensteine beziehungsweise Zwischenziele enthalten, die einen ständigen Blick auf die wirtschaftliche Situation des Kreditnehmers möglich machen. Dabei können die Zeit- und Zahlungsziele ebenso glaubwürdig wie konservativ sein und potenzielle Verschlechterungen der Lage des Schuldners berücksichtigen. Aufgabe der NPL-Working-Unit ist es, das Erreichen aller vereinbarten Prüfpunkte zu überwachen, und zwar mindestens über den Probezeitraum nach Definition der EBA.
Zur Erfassung der Finanzdaten von Retail-Kreditnehmern ist die Entwicklung standardisierter Formulare sinnvoll. Im Firmenkundengeschäft bieten sich solche Standardabfragen in Risikosegmenten an, die weitgehend gleiche Sachverhalte aufweisen. Das stellt die Verfügbarkeit umfassender und verifizierter Angaben und somit eine belastbare Datenbasis für die Prüfung sicher. Externe Informationsquellen wie zentrale Kreditregister sind für einen Überblick über die Gesamtverschuldung und eine Verhaltensanalyse hilfreich.
Sämtliche Angaben müssen durch überprüfbare Nachweise belegt sein, variable Elemente fair, aber konservativ beurteilt werden. So gehen zum Beispiel flexible Einkommensbestandteile nur mit Abschlägen in die Berechnung ein, mögliche Einkommenserhöhungen nur dann, wenn deren Eintreten auch plausibel ist. Zur Sicherstellung eines nachvollziehbaren Prüfpfades muss die Kreditakte die Dokumentation sämtlicher Annahmen enthalten.
Die Aufsichtsbehörden erwarten insbesondere zu zentralen Bereichen wie Kreditqualität bei Forbearance-Fällen, Qualität und Wirksamkeit der Forbearance-Maßnahmen und deren Laufzeitprofile konsistente Angaben, was die Organisation und Dokumentation der damit zusammenhängenden Prozesse umso wichtiger macht.
In der nächsten Folge unserer Beitragsserie erfahren Sie weitere Einzelheiten zur bilanziellen Erfassung von NPL.
Hanns-Jörg Neumann
Managing Consultant
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