Kredit
Non Performing Loans, NPL, Abbauprozess, Forbearance, Risikofrüherkennung, Intensivbetreuung, Sanierung, Beitreibung, Sicherheitenverwertung, Wertberichtigung, Abschreibung, Modell NPL, Softwareauswahl, Software NPL, Prozesse, Prozessoptimierung,

Serie Non Performing Loans – Teil 5: Bilanzielle Erfassung

NPL richtig einsortieren

Die Definition von Non Performing Loans (NPL) ist insgesamt uneinheitlich geregelt. Dies gilt sowohl für nationale als auch internationale Richtlinien. Zur Vermeidung damit einhergehender Unsicherheiten und Probleme hat die EBA den Begriff der notleidenden Risikoposition, der Non Performing Exposure (NPE) eingeführt. Der Leitfaden der Europäischen Bankenaufsicht verwendet die Begriffe NPL und NPE synonym. Gemeint sind damit jeweils alle nach den Regularien der EU-Durchführungsverordnung 680/2014 (EBA ITS) einzustufenden Risiken.

Diese Regelung soll eine einheitliche Beurteilung der beiden wichtigsten Kriterien „Überfälligkeit“ und „Unwahrscheinlichkeit des Begleichens der Verbindlichkeit“ in allen EU-Ländern sicherstellen. Bindend ist die Definition nach EBA ITS allerdings bislang nur für Meldungen an die Aufsichtsbehörden. Intern und in der öffentlichen Finanzberichterstattung wäre eine Verwendung anderer, auch nationaler Richtlinien statthaft. Davon ist allerdings dringend abzuraten.

Hier sollte, sofern noch nicht geschehen, eine möglichst zügige Umstellung auf die NPE-Kriterien stattfinden, selbst wenn diese eventuell umfassender sind als bisherige Wertminderungs- oder Ausfallbegrifflichkeiten. Und das nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass die Aufsichtsinstanzen die NPE-Definition bei der Umsetzung anderer Initiativen wie der Asset Quality Review (AQR) des Single Supervisory Mechanism (SSM) sowie bei Stresstests und Transparenzübungen zugrunde legen. Die folgenden Abschnitte geben einen Überblick über das Thema NPE und die bilanzielle Erfassung:

  • Definition von NPE
  • Zusammenhang zwischen NPE und Forbearance
  • Einzelaspekte für die einheitliche Umsetzung

Definition von NPE

  • Mehr als 90 Tage Zahlungsverzug bei einer wesentlichen Risikoposition (Überfälligkeit)
  • Unwahrscheinlichkeit der Begleichung der Verbindlichkeiten durch den Schuldner in voller Höhe ohne die Verwertung von Sicherheiten (Unlikely-to-pay, UTP)

Überfälligkeit

Als überfällig gilt die Zahlung auf eine wesentliche Risikoposition, sobald mehr als 90 Tage nach dem eigentlichen Zahlungsziel verstrichen sind. Die Wesentlichkeit richtet sich dabei nach den Schwellenwerten aus Artikel 178 Capital Requirements Regulation (CRR), also nach den Festlegungen der Aufsichtsbehörden.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang allerdings die Frage, ob eine rechtliche Verpflichtung des Schuldners zur Zahlung besteht und diese zwingend ist. Ein Beispiel sind ermessensabhängige Zinsen auf ein Instrument des zusätzlichen Kernkapitals. Eine Nichtzahlung stellt keine Überfälligkeit dar, auch wenn in diesem Fall eine Prüfung auf andere Indikatoren für eine NPE-Einstufung des Risikos angezeigt ist. Im Zweifel sollten Institute die Rechtslage im Hinblick auf die Zahlungsverpflichtung genau prüfen. Ergibt sich daraus eine Leistungsverpflichtung, beginnt die Zählung am ersten Tag nach dem fehlenden Eingang eines Tilgungs-, Zins- oder Gebührenbetrags. Für die Zuordnung von Zahlungsströmen können gegebenenfalls vereinbarte Vertragsbedingungen und weitere Rechtsvorschriften das First-in-First-out-Prinzip verdrängen. Die EBA ITS enthält dazu keine eigene Regel, sodass besondere Sorgfalt angezeigt ist. 

Unlikely-to-pay

Dieses Kriterium ist im Gegensatz zur Überfälligkeit nicht klar definiert. Der vorhandene Interpretationsspielraum verlangt von den Banken, selbst entsprechende Richtlinien aufzustellen. Darin müssen eindeutige Situationen definiert sein, die für einen Ausfall sprechen (UTP-Ereignisse). Diese Vorab-Festlegung soll zum einen automatische Einstufungen als UTP enthalten, beispielsweise eine Insolvenz des Schuldners. Zum anderen müssen die Richtlinien die Auslöser für eine manuelle Zuordnung des Kriteriums UTP festlegen. Notwendig ist in diesem Zusammenhang die regelmäßige Überprüfung von Bonität und Rückzahlungsfähigkeit mindestens zu den wichtigsten Berichtsterminen. Ideal ist eine vertragliche Verpflichtung des Schuldners zur Übermittlung bestimmter Finanzinformationen innerhalb vorgegebener Zeiträume. Verspätete oder ausbleibende Mitteilungen können bereits auf eine mangelnde Bonität hindeuten. Kreditnehmer auf einer Watchlist oder mit schlechtem Rating sollte das Institut deutlich häufiger prüfen. Die Höhe der NPE bei der Feststellung eines potenziellen Ausfalltatbestands entspricht dem gesamten Forderungsbetrag. Etwaige Sicherheiten finden keine Berücksichtigung. In der Konsequenz ergibt sich die Pflicht, auch zu hundert Prozent besicherte Risiken in UTP-Situationen als NPE einzustufen.

Bei der Prüfung auf Erfüllung der UTP-Kriterien können Banken externe Datenquellen hinzuziehen, teils ist das sogar unumgänglich. Dabei muss aber sicher sein, dass diese Quellen eine Ausfalldefinition analog zu der Begriffsbestimmung als notleidend gemäß den aufsichtlichen Richtlinien verwenden. Infrage kommen unter anderem Insolvenzregister, Grundbücher, Katasterämter, Pfand- und Kreditregister. Wo dies machbar ist, sollten die entsprechenden Daten möglichst automatisch in die IT-Systeme des Instituts einfließen. Andernfalls sind regelmäßige Abfragen notwendig.

Bei der Definition der UTP-Ereignisse bieten die Ausfalldefinitionen der CRR und die Wertminderungsvorschriften der International Finance Reporting-Standards (IFRS) den Banken Orientierung. Hinzu kommen weitere relevante Auslöser, soweit sie für das jeweilige Risikosegment von Bedeutung sind. Es macht operativ Sinn, bei der Einrichtung interner Verfahren zur Identifizierung von Tatbeständen nach CRR und IFRS auch die UTP-Definitionen anzugleichen.

Es ist möglich und in der Praxis vielfach nötig, für einzelne Portfolios wie zum Beispiel Hypotheken, KMU und Gewerbeimmobilien jeweils unterschiedliche UTP-Auslöser festzulegen. Diese können von der Kapitaldienstfähigkeit oder der Beleihungsquote bis zur Gesamtbetrachtung der Ertragskraft reichen. Wichtig ist dabei zudem die ständige Aktualisierung aller finanziellen und nicht finanziellen Informationen sowie der Bonitätseinstufung des Kunden. Das gilt genauso für die Beurteilung endfälliger Kredite, denn die kontinuierliche Zinszahlung ist für sich alleine kein Grund für die Annahme einer vollständigen Tilgung am Ende der Laufzeit.

Zusammenhang zwischen NPE und Forbearance

Bedingung für die Einstufung einer solchen Maßnahme als Forbearance ist allerdings die Feststellung finanzieller Schwierigkeiten respektive von Anzeichen dafür. Bei folgenden Umständen innerhalb der letzten drei Monate vor der Änderung der Konditionen oder der Umschuldung ist dies als gesichert anzunehmen:

  • Eine Zahlung war mehr als 30 Tage lang überfällig.
  • Die Ausfallwahrscheinlichkeit ist in der internen Rating-Klasse des Instituts gestiegen.
  • Der Kreditnehmer wurde in die Watchlist aufgenommen.

Zugeständnisse gegenüber Kreditnehmern ohne finanzielle Schwierigkeiten sind nicht als Forbearance eingestuft. Das ist auch bei Gewährung im Marktvergleich günstigerer Konditionen so, sofern diese bankintern denen für Schuldner mit vergleichbarem Risikoprofil ähneln. Allerdings sollten alle Vertragsänderungen grundsätzlich zu einer erneuten Beurteilung der finanziellen Lage des Schuldners führen.

Einstufung der Risikoposition mit Forbearance-Maßnahmen

Eine gestundete Risikoposition ist nicht zwangsweise als notleidend einzustufen. Das hängt von verschiedenen Kriterien ab. Generell als NPE einzuordnen sind Risiken mit laufenden Forbearance-Maßnahmen, wenn

  • sie auf unangemessenen Zahlungsplänen basieren,
  • sie Vertragsbedingungen enthalten, die reguläre Rückzahlungsraten so weit aufschieben, dass eine realistische Beurteilung des Zahlungsplans unmöglich ist, beispielsweise bei mehr als zwei Jahren Tilgungsaufschub, 
  • die ausgebuchten Forderungsbeträge die kumulierten Wertberichtigungen für NPE mit vergleichbarem Risikoprofil übersteigen.

Nicht notleidend sind Risikopositionen, welche die Bedingungen für eine Umgliederung aus dem Status „Notleidend“ erfüllen oder durch Forbearance-Maßnahmen nie in diesen Status kamen. Eine Erfassung als „Gestundet“ in den aufsichtlichen Meldungen ist jedoch notwendig, bis alle nachfolgenden Kriterien erfüllt sind:

  • Eine Analyse der Finanzlage des Schuldners ergibt, dass die Voraussetzungen für die Einstufung „Notleidend“ nicht mehr gegeben sind.
  • Seit Gewährung der Forbearance-Maßnahme sind mindestens zwei Jahre vergangen.
  • In mindestens der Hälfte des Probezeitraums gingen regelmäßige Zahlungen ein, die einen nicht unerheblichen Teil der Tilgungs- oder Zinszahlungen ausmachen.
  • Keine Zahlungen auf andere Transaktionen des Schuldners sind am Ende des Probezeitraums mehr als 30 Tage überfällig.

Allerdings sollte die Aufhebung einer Einstufung als „Gestundet“ kein Automatismus, sondern an eine weitere Prüfung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit gekoppelt sein. Erst wenn sich dabei keine weiteren Anzeichen für Probleme ergeben, ist eine Statusänderung der Risikoposition bedenkenlos.

Gesundung der Risikoposition

Es ist möglich, notleidende gestundete Risikopositionen nach Ablauf eines Gesundungszeitraums von einem Jahr nach Beginn der Forbearance-Maßnahme als nicht notleidend einzuordnen. Die Bank muss dazu allerdings alle Bedenken hinsichtlich der künftigen Zahlungsfähigkeit ausräumen. Dafür müssen drei Kriterien erfüllt sein:

  • Die Risikopositionen gelten nicht als wertgemindert oder ausgefallen.

  • Es sind keine Zahlungen auf die Risikopositionen überfällig.

  • Der Schuldner hat eine Zahlung in Höhe der zuvor überfälligen Beträge oder der im Zuge einer Forbearance-Maßnahme vorgenommenen Abschreibung geleistet oder auf andere Weise seine Fähigkeit zur Einhaltung der künftigen Konditionen nachgewiesen.

Einzelaspekte für die einheitliche Umsetzung

  • Zunächst ist zu klären, ob örtliche Standards zur Einstufung von NPE lockerer oder restriktiver als die verwendeten Gruppenstandards sind.
  • Dann ist abzuschätzen, inwieweit die lokalen Vorschriften das NPE-Volumen künstlich erhöhen oder vermindern.
  • Das Volumen der insoweit künstlich erhöhten oder verminderten NPE sollte auf Gruppenebene durch eine angemessene Zuordnung der einzelnen Kategorien angeglichen werden.
  • Soweit die örtlich vorgeschriebenen Standards für den bilanziellen Ansatz von NPE wesentlich von denen der EBA ITS abweichen, ist eine Berichterstattung für interne Risikokontrollzwecke nach beiden Standards ratsam.

Konzernweite Identifizierung

IT-Systeme auf Konzernebene sollten sicherstellen, dass alle Mitgliedsunternehmen der Gruppe die Einstufung eines Kunden als notleidend schnellstmöglich erfahren, sofern dieser nicht zum Retail-Geschäft gehört. Dafür ist die Zuweisung eines einheitlichen Identifikators für jeden Schuldner zweckmäßig. Sofern Verbraucherschutz, Bankgeheimnis oder gesetzliche Vorschriften den Austausch von Kundendaten innerhalb der Gruppe verbieten oder der Aufwand den Nutzen übersteigt, kann diese Konsistenzprüfung entfallen. Voraussetzung dafür ist aber der Nachweis, dass dies nur unwesentliche Auswirkungen hat und die maßgeblichen Konzerngesellschaften wenige bis keine gemeinsamen Kunden haben.

Gruppen verbundener Kunden

Die Banken müssen eine einheitliche Behandlung einzelner Kunden sowie von Gruppen verbundener Kunden sicherstellen. Dazu sind interne Richtlinien zur Beurteilung der jeweiligen Rechtsverhältnisse erforderlich. Hauptkriterien für die Entscheidung, ob ein Kreditnehmer Mitglied einer solchen Kundengruppe ist, sind die wirtschaftliche Abhängigkeit und ein eventuell vorhandenes Kontrollverhältnis. Ein eigenes Verzeichnis muss diese und sämtliche weiteren Einstufungsbedingungen enthalten. Sind die Merkmale für eine Gruppenzugehörigkeit erfüllt, macht die Einstufung einer Risikoposition als notleidend grundsätzlich zudem eine Prüfung aus Gruppenperspektive notwendig. Dies gilt vor allem im Hinblick auf mögliche Ansteckungseffekte. Andersherum ist auch eine entsprechende Abgrenzung zu notleidenden Positionen denkbar.

Pulling-Effekt

Generell werden alle Risikopositionen gegenüber einem Schuldner notleidend, sofern mehr als 20 Prozent des Bruttobuchwerts der bilanziellen Risikopositionen mehr als 90 Tage überfällig sind. Darüber hinaus müssen Risikopositionen immer in Höhe ihres Gesamtbetrags ausgewiesen sein. Eine Unterteilung in „Teilweise Notleidend“ und „Teilweise nicht Notleidend“ ist unzulässig.

In der nächsten Folge unserer Beitragsserie erfahren Sie weitere Einzelheiten zurBeurteilung von Wertminderungen und Abschreibungen