Risikovorsorge ist eines der wesentlichen Elemente der Bankenaufsicht. Für deren Wirksamkeit und die Garantie fairer Marktbedingungen sind die Kohärenz der verwendeten Methoden und ein angemessener Aufwand von eminenter Bedeutung. Das haben beispielsweise Asset Quality Reviews (AQR) und Stresstests deutlich bewiesen. Bei der bilanziellen Einschätzung von Wertminderungen in allen Kreditportfolios kommt es daher auf die Anwendung solider und robuster Grundsätze an. Zudem sind eine zeitnahe Erfassung und Abschreibung nach den geltenden Rechnungslegungsgrundsätzen notwendig. Modifizierte Verfahren sollen zu einer signifikanten Verbesserung der Angaben zu Anzahl und Kredithöhen in den Berichten zur Aktivaqualität und zur Kreditrisikokontrolle führen. Die Aufsichtsbehörden müssen die Banken dahingehend im Rahmen des Single Supervisory Mechanism (SSM) überwachen und prüfen. Und zwar sowohl im Hinblick auf die Bewertung des Kreditrisikos als auch bezüglich eventueller Folgen bei der Eigenkapitalausstattung. Reicht der Anteil der Risikovorsorge nicht aus, kann die Aufsicht Nachbesserungen bei den Prüfverfahren und der Kapitaldeckung fordern. Banken sollten darauf vorbereitet sein und die im Leitfaden der EZB zur Behandlung von Non Performing Loans (NPL) enthaltenen Best Practices zu Grundsätzen und Methodik beachten. Im Einzelnen behandelt werden:
1. Individuell oder kollektiv
Banken müssen einen Kriterienkatalog aufstellen, der klar stellt, bei welchen Risikopositionen eine individuelle Wertminderung zu ermitteln und wann eine kollektive Berichtigung angezeigt ist. Für sich genommen wesentliche Risiken fallen grundsätzlich unter eine Einzelfallbetrachtung. Die Ermittlung der Wertminderung solcher Positionen, die alleine nicht bedeutend sind, ist entweder gemeinsam oder auch jeweils einzeln möglich. Bedeutende Kredite ohne individuelle Wertminderung unterfallen einer kollektiven Beurteilung.
2. Methoden und Parameter
Interne Leitlinien der Institute legen die Methodik der Wertminderungsbeurteilung und die Eingabeparameter für die Ermittlung des Minderungsbetrages fest. Bei Schätzung auf Einzelbasis stellt sich zudem die Frage nach dem grundsätzlichen Ansatz: Nimmt die Bank ein Going-Concern- oder ein Gone-Concern-Szenario an?
Methodik für Wertberichtigungen auf Einzelbasis
Die Schätzung der künftigen Zahlungsströme und die Beurteilung der Sicherheiten müssen bei einer individuellen Wertminderungsbetrachtung ein Abbild der realen Verhältnisse ergeben. Der voraussichtlich noch erzielbare Betrag entspricht dabei dem erwartbaren Barwert, abgezinst mit dem ursprünglichen Effektivzinssatz sowie dem angenommenen erzielbaren Betrag aus der Verwertung von Sicherheiten. Die Annahme zum Cashflow soll nachvollziehbar in der Kreditakte dokumentiert sein. Dort ist auch das verwendete Szenario festzuhalten, weiterhin die eigentliche Methode und die angewandten Zinssätze. Zu einer konsistenten Barwertermittlung gehören auch Verfahren für die regelmäßige Kontrolle und Dokumentation dieser Schätzungen einschließlich eines Soll-Ist-Vergleichs zur weiteren Verbesserung der Ergebnisse im Zuge einer zunehmenden Kreditlaufzeit.
Bedeutung der verschiedenen Szenarien
Die Betrachtung eines Going-Concern-Szenarios kommt dann infrage, wenn sich die künftigen operativen Zahlungsströme des Schuldners verlässlich schätzen lassen und ihre Höhe wesentlich ist. Außerdem in Fällen mit eingeschränkter Besicherung. Hierbei ist aber zu beachten, dass die Sicherheiten insgesamt nur soweit für die Gesamtbewertung zum Ansatz kommen können, als dass der Cashflow aus dem operativen Geschäft des Kreditnehmers durch eine Verwertung nicht beeinträchtigt wird.
Beim Gone-Concern-Szenario sind dagegen die möglichen Verwertungserlöse der Sicherheiten ohne weitere Rücksicht auf die operativen Folgen anzusetzen. Es sollte bei Erfüllung einer der folgenden Voraussetzungen zum Einsatz kommen:
Sofern die NPL-Strategie eines Instituts den Verkauf des besicherten oder unbesicherten Kredits vorsieht, ist ein Ansatz des erzielbaren Marktpreises zur Schätzung der erwarteten Zahlungsströme statthaft.
Schätzung der operativen Zahlungsströme beim Going-Concern-Szenario
In diesem Fall ist eine eingehende Prüfung der wirtschaftlichen Gesamtsituation des Schuldners notwendig. Dazu bedarf es einer sorgfältigen Betrachtung der Finanzlage, der verfügbaren Cashflows, der Finanzindikatoren, der Geschäftspläne und Prognosen sowie anderer möglicher Parameter. Gegebenenfalls ist der Einsatz von Methoden wie dem Steady-State-Ansatz oder dem Two-Step-Cashflow-Ansatz angemessen. Bei der Beurteilung bedarf es größtmöglicher Aufmerksamkeit, inklusive der Betrachtung von Worst-Case-Szenarien oder adversen Verläufen. Grundsätzlich sollten folgende Aspekte Berücksichtigung finden:
Banken müssen die Einhaltung interner Risikokontrollverfahren, der Rechnungslegungsstandards und der aufsichtlichen Anforderungen bei der kollektiven Schätzung von Wertberichtigungen sicherstellen. Das jeweilige Leitungsorgan soll entsprechende Methoden und Prozesse sowie deren Einbindung in die Risikokontrollsysteme vorgeben.
Die Prozesse zur Ermittlung der Wertberichtigung müssen jederzeit nachvollziehbar sein und auf verlässlichen Praktiken beruhen. Grundlage müssen empirische Daten sein. Liegen solche nicht vor, ist sicherzustellen, dass die Annahmen so nah wie möglich an festgestellten Erfahrungswerten liegen und zudem ein angemessener Sicherheitsabschlag einkalkuliert ist. Neben der kontinuierlichen Konsistenzprüfung ist mindestens einmal im Jahr für jedes bedeutsame Portfolio ein Rückvergleich der tatsächlichen Entwicklung zu den geschätzten Wertberichtigungen notwendig.
Methodik für Wertberichtigungen auf kollektiver Basis
Interne Leitfäden für die Ermittlung der Wertberichtigung legen die Kriterien für die Zusammenfassung von Risikopositionen in Gruppen fest. Mögliche Parameter sind:
Natürlich darf eine gute Gruppenentwicklung ein steigendes Ausfallrisiko bei einer einzelnen Risikoposition nicht verdecken. Gegebenenfalls sind hier Korrekturen bei sich verändernden Rahmenbedingungen notwendig. Die IT-Systeme der Bank müssen bei Zahlungsrückständen präzise Daten über deren Dauer, Anzahl und Höhe liefern, da diese Angaben für die Ermittlung der Wertminderungshöhe eine wichtige Rolle spielen.
Parameter für die Festsetzung der Wertberichtigung
Basis bei der Vornahme von Wertberichtigungen in Gruppen sind historische Ausfallquoten von Vermögenswerten mit vergleichbaren Ausfallrisikoeigenschaften. Unterschiedliche Marktbedingungen zwischen dem Erhebungszeitraum der jeweiligen Daten und der Ist-Situation sind zu berücksichtigen. Weiterhin sind folgende Aspekte wichtig:
Umbildungen der finanziellen und/oder wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sollten nachweislich zu einer Aktualisierung der Modellparameter für eine Gruppe gemeinsam beurteilter Vermögenswerte führen.
Bei in Besitz genommenen Vermögenswerten basiert der Berichtigungsaufwand auf der Differenz zwischen dem angepassten Buchwert und dem Zeitwert des Vermögenswertes abzüglich der Veräußerungskosten. Interne Richtlinien sollen die zur Ermittlung des Zeitwertes maßgeblichen Kriterien sowie die anzusetzenden Veräußerungskosten festlegen. Marktpreisabschläge und eventuelle Fertigstellungsaufwendungen müssen Berücksichtigung finden.
Daher müssen die internen Richtlinien der Banken klare zeitliche Vorgaben enthalten. Gerade unbesicherte Risikopositionen verlangen klare, konservativ bemessene Fristen. Bei der Beurteilung erzielbarer Beträge beziehungsweise der Festlegung interner Regelungen zu Abschreibungen müssen die Kreditgruppen besondere Berücksichtigung finden, die zu einem hohen Anteil dauerhaft uneinbringlich sein können. Dazu zählen:
Anforderungen an die IT
Die IT spielt bei der Berechnung von Wertminderungen eine entscheidende Rolle. Dementsprechend hoch sind die Anforderungen an die Leistungsfähigkeit der Systeme. Die Datenbanken müssen
Die Kontrollinstanzen der Institute sollen die Einhaltung dieser Anforderungen sowie der in internen Leitfäden geforderten weiteren Eigenschaften regelmäßig überprüfen. Geeignete Verfahren müssen die Aufnahme der gespeicherten Informationen in die interne Berichterstattung sicherstellen.
Dokumentation
Die folgende Liste enthält die im Rahmen der Risikovorsorge bei NPL mindestens notwendige Dokumentation. Diese muss den Aufsichtsbehörden auf Verlangen zur Verfügung stehen:
In der nächsten Folge unserer Beitragsserie erfahren Sie weitere Einzelheiten zurBewertung von Immobiliensicherheiten
Hanns-Jörg Neumann
Managing Consultant
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