Kredit
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Serie Non Performing Loans – Teil 6: Beurteilung von Wertminderungen und Abschreibungen

Potenzielle Verluste richtig erfassen

Risikovorsorge ist eines der wesentlichen Elemente der Bankenaufsicht. Für deren Wirksamkeit und die Garantie fairer Marktbedingungen sind die Kohärenz der verwendeten Methoden und ein angemessener Aufwand von eminenter Bedeutung. Das haben beispielsweise Asset Quality Reviews (AQR) und Stresstests deutlich bewiesen. Bei der bilanziellen Einschätzung von Wertminderungen in allen Kreditportfolios kommt es daher auf die Anwendung solider und robuster Grundsätze an. Zudem sind eine zeitnahe Erfassung und Abschreibung nach den geltenden Rechnungslegungsgrundsätzen notwendig. Modifizierte Verfahren sollen zu einer signifikanten Verbesserung der Angaben zu Anzahl und Kredithöhen in den Berichten zur Aktivaqualität und zur Kreditrisikokontrolle führen. Die Aufsichtsbehörden müssen die Banken dahingehend im Rahmen des Single Supervisory Mechanism (SSM) überwachen und prüfen. Und zwar sowohl im Hinblick auf die Bewertung des Kreditrisikos als auch bezüglich eventueller Folgen bei der Eigenkapitalausstattung. Reicht der Anteil der Risikovorsorge nicht aus, kann die Aufsicht Nachbesserungen bei den Prüfverfahren und der Kapitaldeckung fordern. Banken sollten darauf vorbereitet sein und die im Leitfaden der EZB zur Behandlung von Non Performing Loans (NPL) enthaltenen Best Practices zu Grundsätzen und Methodik beachten. Im Einzelnen behandelt werden:

  • Wertberichtigungen auf Einzelbasis
  • Wertberichtigungen auf kollektiver Basis
  • Weitere Aspekte bei der Beurteilung von Wertminderungen
  • Zeitnahe Erfassung
  • Wertberichtigungs- und Abschreibungsverfahren

Wertberichtigungen auf Einzelbasis

1. Individuell oder kollektiv

Banken müssen einen Kriterienkatalog aufstellen, der klar stellt, bei welchen Risikopositionen eine individuelle Wertminderung zu ermitteln und wann eine kollektive Berichtigung angezeigt ist. Für sich genommen wesentliche Risiken fallen grundsätzlich unter eine Einzelfallbetrachtung. Die Ermittlung der Wertminderung solcher Positionen, die alleine nicht bedeutend sind, ist entweder gemeinsam oder auch jeweils einzeln möglich. Bedeutende Kredite ohne individuelle Wertminderung unterfallen einer kollektiven Beurteilung.

2. Methoden und Parameter

Interne Leitlinien der Institute legen die Methodik der Wertminderungsbeurteilung und die Eingabeparameter für die Ermittlung des Minderungsbetrages fest. Bei Schätzung auf Einzelbasis stellt sich zudem die Frage nach dem grundsätzlichen Ansatz: Nimmt die Bank ein Going-Concern- oder ein Gone-Concern-Szenario an? 

Methodik für Wertberichtigungen auf Einzelbasis

Die Schätzung der künftigen Zahlungsströme und die Beurteilung der Sicherheiten müssen bei einer individuellen Wertminderungsbetrachtung ein Abbild der realen Verhältnisse ergeben. Der voraussichtlich noch erzielbare Betrag entspricht dabei dem erwartbaren Barwert, abgezinst mit dem ursprünglichen Effektivzinssatz sowie dem angenommenen erzielbaren Betrag aus der Verwertung von Sicherheiten. Die Annahme zum Cashflow soll nachvollziehbar in der Kreditakte dokumentiert sein. Dort ist auch das verwendete Szenario festzuhalten, weiterhin die eigentliche Methode und die angewandten Zinssätze. Zu einer konsistenten Barwertermittlung gehören auch Verfahren für die regelmäßige Kontrolle und Dokumentation dieser Schätzungen einschließlich eines Soll-Ist-Vergleichs zur weiteren Verbesserung der Ergebnisse im Zuge einer zunehmenden Kreditlaufzeit.

Bedeutung der verschiedenen Szenarien

Die Betrachtung eines Going-Concern-Szenarios kommt dann infrage, wenn sich die künftigen operativen Zahlungsströme des Schuldners verlässlich schätzen lassen und ihre Höhe wesentlich ist. Außerdem in Fällen mit eingeschränkter Besicherung. Hierbei ist aber zu beachten, dass die Sicherheiten insgesamt nur soweit für die Gesamtbewertung zum Ansatz kommen können, als dass der Cashflow aus dem operativen Geschäft des Kreditnehmers durch eine Verwertung nicht beeinträchtigt wird.

Beim Gone-Concern-Szenario sind dagegen die möglichen Verwertungserlöse der Sicherheiten ohne weitere Rücksicht auf die operativen Folgen anzusetzen. Es sollte bei Erfüllung einer der folgenden Voraussetzungen zum Einsatz kommen:

  • Zahlungsrückstand von mehr als 18 Monaten
  • Erwartung niedriger oder sogar negativer Zahlungsströme aus dem operativen Geschäft
  • Hohe Besicherung mit wesentlicher Bedeutung für die Generierung des Cashflows
  • Wesentliche negative Folgen für den erzielbaren Barwert durch Going-Concern-Ansatz.
  • Erhebliche Unsicherheiten bei der Schätzung der Zahlungsströme
  • Zu wenig Informationen für eine Going-Concern-Analyse

Sofern die NPL-Strategie eines Instituts den Verkauf des besicherten oder unbesicherten Kredits vorsieht, ist ein Ansatz des erzielbaren Marktpreises zur Schätzung der erwarteten Zahlungsströme statthaft.

Schätzung der operativen Zahlungsströme beim Going-Concern-Szenario

In diesem Fall ist eine eingehende Prüfung der wirtschaftlichen Gesamtsituation des Schuldners notwendig. Dazu bedarf es einer sorgfältigen Betrachtung der Finanzlage, der verfügbaren Cashflows, der Finanzindikatoren, der Geschäftspläne und Prognosen sowie anderer möglicher Parameter. Gegebenenfalls ist der Einsatz von Methoden wie dem Steady-State-Ansatz oder dem Two-Step-Cashflow-Ansatz angemessen. Bei der Beurteilung bedarf es größtmöglicher Aufmerksamkeit, inklusive der Betrachtung von Worst-Case-Szenarien oder adversen Verläufen. Grundsätzlich sollten folgende Aspekte Berücksichtigung finden:

  • Aktuelle und verlässliche Informationen zu Zahlungsströmen und Geschäftsplan als Grundvoraussetzung
  • Die Finanzberichterstattung des Schuldners als Grundlage
  • Soweit Projektionen eine steigende, gleichbleibende oder sinkende Wachstumsrate ergeben: maximal drei bis fünf Jahre Bildung der Berechnungsbasis, anschließend gleichbleibenden Cashflows zu erwarten
  • Auswirkungen von Änderungen der Geschäftsstruktur im Rahmen von Umstrukturierungen
  • Zur Sicherung des Cashflows erforderliche (Re-)Investitionen
  • Sämtliche zu erwartenden Veränderungen der Zahlungsströme, zum Beispiel aufgrund auslaufenden Patentschutzes
  • Risiko eines erneuten Ausfalls inklusive Bonitätseinschätzung
  • Erhaltene finanzielle Garantien, aber nur soweit verlässliche Informationen zur Bonität des Garantiegebers und zur Rechtswirksamkeit vorliegen
  • Soweit sich aus den Daten des Vorjahres aufgrund der gewählten Rechnungslegungsmethode keine tragfähigen Schätzungen ergeben: geeignete und plausible Anpassungen erlaubt
  • Soweit der erzielbare Wert einer Risikoposition von der Verwertung oder dem Verkauf von Vermögenswerten durch den Schuldner abhängt: widerspiegeln von aus dem Verkaufspreis zu erwarteten künftigen Zahlungsströmen abzüglich geschätzter Veräußerungskosten
  • Beschränkung auf einen verlässlichen Projektionshorizont; Zulässigkeit von Voraussagen über mehr als fünf Jahre nur in Ausnahmefällen

Wertberichtigungen auf kollektiver Basis

  • Interne Governance

Banken müssen die Einhaltung interner Risikokontrollverfahren, der Rechnungslegungsstandards und der aufsichtlichen Anforderungen bei der kollektiven Schätzung von Wertberichtigungen sicherstellen. Das jeweilige Leitungsorgan soll entsprechende Methoden und Prozesse sowie deren Einbindung in die Risikokontrollsysteme vorgeben.

  • Einfachheit und Wirksamkeit

Die Prozesse zur Ermittlung der Wertberichtigung müssen jederzeit nachvollziehbar sein und auf verlässlichen Praktiken beruhen. Grundlage müssen empirische Daten sein. Liegen solche nicht vor, ist sicherzustellen, dass die Annahmen so nah wie möglich an festgestellten Erfahrungswerten liegen und zudem ein angemessener Sicherheitsabschlag einkalkuliert ist. Neben der kontinuierlichen Konsistenzprüfung ist mindestens einmal im Jahr für jedes bedeutsame Portfolio ein Rückvergleich der tatsächlichen Entwicklung zu den geschätzten Wertberichtigungen notwendig.

Methodik für Wertberichtigungen auf kollektiver Basis

Interne Leitfäden für die Ermittlung der Wertberichtigung legen die Kriterien für die Zusammenfassung von Risikopositionen in Gruppen fest. Mögliche Parameter sind:

  • Art des Finanzinstruments
  • Produktbedingungen
  • Branche/Marktsegment
  • Besicherung, sowohl nach Loan toValue als auch nach Art der Sicherheit
  • Geografischer Standort
  • Verzugsstatus
  • Angewandte Forbearance-Maßnahmen
  • Beschäftigungsstatus des Kreditnehmers

Natürlich darf eine gute Gruppenentwicklung ein steigendes Ausfallrisiko bei einer einzelnen Risikoposition nicht verdecken. Gegebenenfalls sind hier Korrekturen bei sich verändernden Rahmenbedingungen notwendig. Die IT-Systeme der Bank müssen bei Zahlungsrückständen präzise Daten über deren Dauer, Anzahl und Höhe liefern, da diese Angaben für die Ermittlung der Wertminderungshöhe eine wichtige Rolle spielen.

Parameter für die Festsetzung der Wertberichtigung

Basis bei der Vornahme von Wertberichtigungen in Gruppen sind historische Ausfallquoten von Vermögenswerten mit vergleichbaren Ausfallrisikoeigenschaften. Unterschiedliche Marktbedingungen zwischen dem Erhebungszeitraum der jeweiligen Daten und der Ist-Situation sind zu berücksichtigen. Weiterhin sind folgende Aspekte wichtig:

  • Reduzierung der Ermessensentscheidungen des Managements auf ein Minimum
  • Widerspiegeln der Ausfallrisikoeigenschaften der jeweiligen Schicht des Kreditportfolios in sämtlichen Parametern
  • Für Ausfallquoten relevante Faktoren wie makroökonomische Variablen, eventuelle Gesetzesänderungen sowie Umwälzungen im wirtschaftlichen und geschäftlichen Umfeld auf internationaler, nationaler und regionaler Ebene
  • Übereinstimmung der Schätzungen mit den Kriterien zur Ermittlung des Verwertungserlöses
  • Änderungen des Risikoportfolios insgesamt
  • Auswirkungen von Änderungen bei Kreditvergabepolitik und -verfahren

Umbildungen der finanziellen und/oder wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sollten nachweislich zu einer Aktualisierung der Modellparameter für eine Gruppe gemeinsam beurteilter Vermögenswerte führen.

Weitere Aspekte bei der Beurteilung von Wertminderungen

  • Rückzahlung eines höheren Anteils der ausstehenden Schulden als angenommen
  • Bereitstellung zusätzlicher Sicherheiten
  • Verbesserung des Cashflows
  • Mindestens ein Schadenfall (Loss Event) als Ursache für einen Wertminderungstest nicht mehr vorhanden
  • Erhöhung des beim Schuldner erzielbaren Betrags durch ein anderes Ereignis

Bei in Besitz genommenen Vermögenswerten basiert der Berichtigungsaufwand auf der Differenz zwischen dem angepassten Buchwert und dem Zeitwert des Vermögenswertes abzüglich der Veräußerungskosten. Interne Richtlinien sollen die zur Ermittlung des Zeitwertes maßgeblichen Kriterien sowie die anzusetzenden Veräußerungskosten festlegen. Marktpreisabschläge und eventuelle Fertigstellungsaufwendungen müssen Berücksichtigung finden.

Zeitnahe Erfassung

Daher müssen die internen Richtlinien der Banken klare zeitliche Vorgaben enthalten. Gerade unbesicherte Risikopositionen verlangen klare, konservativ bemessene Fristen. Bei der Beurteilung erzielbarer Beträge beziehungsweise der Festlegung interner Regelungen zu Abschreibungen müssen die Kreditgruppen besondere Berücksichtigung finden, die zu einem hohen Anteil dauerhaft uneinbringlich sein können. Dazu zählen:

  • Risikopositionen mit länger andauernden Zahlungsrückständen
  • Risikopositionen in einem Insolvenzverfahren
  • Risikopositionen, deren Schuldner einen erheblichen Schuldenüberhang aufweisen und bei denen Hinweise vorliegen, dass der insgesamt geschuldete Betrag nicht zurückgezahlt werden kann

Wertberichtigungs- und Abschreibungsverfahren

Anforderungen an die IT

Die IT spielt bei der Berechnung von Wertminderungen eine entscheidende Rolle. Dementsprechend hoch sind die Anforderungen an die Leistungsfähigkeit der Systeme. Die Datenbanken müssen

  • eine hinreichende Datentiefe und -breite zur Abdeckung sämtlicher wesentlicher Risikofaktoren liefern,
  • die Zusammenfassung von Risikopositionen anhand gemeinsamer Faktoren wie Branche, Kreditgegenstand und geografischem Standort ermöglichen,
  • die Genauigkeit, Integrität, Zuverlässigkeit und Aktualität der Daten garantieren,
  • eine hinreichende Datenkonsistenz liefern und
  • eine Rückverfolgbarkeit zulassen, um die Informationsquelle festzustellen.

Die Kontrollinstanzen der Institute sollen die Einhaltung dieser Anforderungen sowie der in internen Leitfäden geforderten weiteren Eigenschaften regelmäßig überprüfen. Geeignete Verfahren müssen die Aufnahme der gespeicherten Informationen in die interne Berichterstattung sicherstellen.

Dokumentation

Die folgende Liste enthält die im Rahmen der Risikovorsorge bei NPL mindestens notwendige Dokumentation. Diese muss den Aufsichtsbehörden auf Verlangen zur Verfügung stehen:

  • Die Kriterien zur Identifizierung von Krediten, die einzeln beurteilt werden
  • Die Regeln für die Zusammenfassung von Risikopositionen mit vergleichbaren Ausfallrisikoeigenschaften, einschließlich der Nachweise vergleichbarer Eigenschaften
  • Ausführliche Informationen zu Eingabeparametern, Berechnungen und Ergebnissen zur Begründung der zu den Kategorien getroffenen Annahmen
  • Gründe für die Festlegung der im Rahmen der Wertminderungsberechnung berücksichtigten Annahmen
  • Ergebnisse des Abgleichs der Annahmen mit tatsächlichen Ausfallquoten
  • Leitlinien und Verfahren zur Festlegung, Überwachung und Beurteilung der berücksichtigten Annahmen
  • Feststellungen der Ergebnisse bei kollektiven Wertberichtigungen
  • Ergänzende Unterlagen zu sämtlichen bei der Korrektur historischer Ausfalldaten berücksichtigter Faktoren
  • Ausführliche Informationen zur Anpassung der Daten einer Gruppe finanzieller Vermögenswerte an die aktuellen Marktbedingungen
  • Dokumentation der Abschreibungspolitik

In der nächsten Folge unserer Beitragsserie erfahren Sie weitere Einzelheiten zurBewertung von Immobiliensicherheiten