Um eine wirkliche Aussagekraft zu besitzen, müssen Bankbilanzen die aktuelle Wertentwicklung möglichst exakt widerspiegeln. Das verlangt auch eine ständige und reelle Bewertung der Immobiliensicherheiten. In der Vergangenheit haben die Aufsichtsbehörden hier Mängel im Hinblick auf Vollständigkeit und Exaktheit festgestellt. Die Gründe dafür liegen im Versäumnis der Institute, regelmäßige Informationen zur Finanzlage ihrer Kreditnehmer sowie aktualisierte Immobilienbewertungen einzuholen. Im Ergebnis waren Wertberichtigungen zu niedrig angesetzt. Im Rahmen des Single Supervisory Mechanism (SSM) erwartet die Aufsicht, dass Banken die im Leitfaden der EZB zu notleidenden Krediten aufgestellten Grundsätze zur Immobilienbewertung einhalten und diese in ihre eigenen, internen Vorschriften übernehmen. In diesem Zusammenhang ist noch auf die Tatsache hinzuweisen, dass für die Zwecke des Leitfadens unabhängig von den Capital Requirements Regulations (CRR) alle Immobiliensicherheiten als anerkennungsfähig gelten. Bei der Bewertung von Immobiliensicherheiten werden folgende Einzelpunkte betrachtet:
Überwachung und Kontrollen
Die Aufsicht erwartet regelmäßige Prüfungen der von Sachverständigen vorgenommenen Bewertungen durch die Bank. Die Prozesse zur Qualitätssicherung richten sich dabei nach Größe und Geschäftsmodell der Bank, die internen Kontrollen sowie eventuelle externe Erstellung schwieriger Bewertungen müssen aber in jedem Fall einige Grundsätze einhalten:
Die Revisionsabteilung soll durch regelmäßige Untersuchungen die Konsistenz und Qualität der vorhandenen Verfahren und Richtlinien sowie die Objektivität der Sachverständigenauswahl untersuchen. Entsprechende Prüfungen sind außerdem im Hinblick auf die Angemessenheit interner und externer Bewertungen gefordert.
Individuelle versus indexierte Bewertung
Zur Bewertung kommt entweder ein objektspezifisches Wertgutachten oder ein automatisiertes beziehungsweise teilautomatisiertes Indexierungsverfahren infrage. Letzteres kann bei der Bewertung notleidender Positionen zum Einsatz kommen, wenn der Bruttowert des Kredits unter 300.000 Euro liegt und die Sicherheit für diese Methode geeignet ist. Dessen unbeschadet sind Wertgutachten auch in diesen Fällen notwendig, wenn Hinweise auf einen erheblichen Wertverlust des Objekts gegenüber dem Marktpreis vorliegen. Maßstab ist grundsätzlich der Artikel 208 Absatz 3 CRR.
Für die Indexierung ist die Verwendung interner oder externer Indizes erlaubt. Diese unterliegen allerdings mehreren Anforderungen:
Sachverständige
Für individuelle Gutachten sind interne oder externe Sachverständige einzusetzen. Sie müssen die notwendigen Qualifikationen und Erfahrungen für das zu bewertende Objekt besitzen und unabhängig sein. Die Leistungen unterliegen einer regelmäßigen Überprüfung. Die Auswahl der Immobiliensachverständigen unterliegt der Genehmigung durch das Management. Externe Gutachter müssen eine ausreichende Berufshaftpflichtversicherung nachweisen. Regelmäßig ist deren Gültigkeit und Deckungshöhe zu kontrollieren. Weiterhin müssen alle Sachverständigen und ihre Verwandten ersten Grades folgende Anforderungen hinsichtlich ihrer Unabhängigkeit erfüllen:
Die ausgewählten Sachverständigen sollten zum Kreditgeschäft des Instituts und den Objektstandorten passende Sachkenntnisse in diversen Bereichen des Immobiliensektors besitzen. An die Qualifikation sind folgende Anforderungen zu stellen:
Bewertungen müssen häufiger als im regelmäßigen Turnus festgelegt stattfinden, wenn der Immobilienmarkt starken negativen Veränderungen ausgesetzt ist oder Anzeichen für einen erheblichen Wertverlust einzelner Sicherheiten vorliegen. Die Richtlinien, Prozesse und IT-Verfahren müssen Kriterien zur Sicherheitenbewertung enthalten, um entsprechende Fälle herauszufiltern. Dazu zählen quantitative Schwellenwerte für die unterschiedlichen Arten von Sicherheiten sowie qualitative Erfahrungswerte. Die IT-Systeme müssen veraltete Bewertungen nach Möglichkeit automatisch kennzeichnen und so Wertgutachten auslösen.
Erwartete künftige Zahlungsströme
Wie bereits dargestellt, liegt individuellen Schätzungen zu Wertberichtigungen entweder ein Going-Concern-Szenario oder ein Gone-Concern-Szenario zugrunde. Für den erstgenannten Ansatz sind verlässliche Schätzungen der Cashflows aus dem operativen Geschäft und aus den Sicherheiten Grundvoraussetzung. Im Rahmen des Gone-Concern-Ansatzes ist eine Bereinigung der Erlöse aus dem Verkauf der Sicherheiten um Verwertungskosten und einen Abschlag zur Open Market Value (OMV) notwendig.
Abschläge beim Gone-Concern-Szenario
Mittelabflüsse bei der Verwertung umfassen:
Der Immobilienpreis zum Zeitpunkt der Verwertung richtet sich nach den aktuellen und den erwarteten Marktbedingungen. Ebenfalls berücksichtigt werden muss der Zeitrahmen bis zur möglichen Veräußerung, besonders im Hinblick auf mögliche langwierige rechtliche Verfahren. Für die Verwertung selbst kommen sowohl freihändige Vorgehensweisen als auch der Rechtsweg, also die Zwangsvollstreckung, infrage.
Empirische Untersuchungen und praktische Erfahrungen haben einen negativen Zusammenhang zwischen Ausfallhäufigkeit und Wert der Sicherheit gezeigt. Auch nimmt bei einer großen Zahl Ausfällen und darauf folgenden Verwertungen die Marktliquidität ab. Daher ist ein Marktpreisabschlag auf den OMV zu kalkulieren, der sich an der Liquiditätslage des Marktes und der Verwertungsstrategie orientiert. Dessen Spanne beginnt bei nahezu Null für hochliquide, nicht problembehaftete Sicherheitenarten ohne signifikantes Korrelationsrisiko. Versteigerungen erfordern einen Mindestabschlag von zehn Prozent.
Die Annahmen zu Veräußerungskosten und Marktpreisabschlägen müssen die Institute selbst entwickeln. Grundlage sind empirische Belege, beziehungsweise bei deren fehlen konservative Berechnungen unter Berücksichtigung von Liquidität, Zeitablauf und Alterung des Wertgutachtens. Ein eingefrorener Immobilienmarkt mit wenig zum Verkauf stehenden Objekten rechtfertigt einen konservativeren Marktpreisabschlag als üblich.
Weitere Aspekte bei der Schätzung von Zahlungsströmen
Der Ermittlung von Zahlungsströmen aus der Verwertung von Immobiliensicherheiten müssen angemessene und realistische Annahmen zugrunde liegen. Im Einzelnen sind folgende Anforderungen zu erfüllen:
Bei einer Beurteilung des Sicherheitenwerts, anhand des Verwertungserlöses der Risikoposition beurteilt, müssen mindestens folgende Punkte dokumentiert sein:
Beruht der angenommene Verwertungserlös auf dem festgestellten Marktpreis, müssen in der Akte Betrag, Quelle und Datum dieses Preises dokumentiert sein.
Institute müssen sowohl sämtliche qualitativen als auch quantitativen Annahmen gegenüber der Aufsicht vollständig rechtfertigen können und bestimmende Faktoren für ihre Annahmen anhand aktueller und früherer Erfahrungen erläutern. Dazu dienen auch Rückvergleiche, gegebenenfalls aufgeschlüsselt nach Objektart, Art der Veräußerung, Bewertungsmodell und -ansatz sowie Region. Um hier verlässliche Daten zu erhalten, ist ein regelmäßiger Abgleich der Bewertungs- mit der Verkaufshistorie notwendig.
Anforderungen an die IT-Systeme
Bezüglich der Anforderungen an IT-Systeme gelten bei der Bewertung von Immobiliensicherheiten die Aussagen aus dem vorherigen Kapitel analog.
Existiert kein Zeitwert auf der Grundlage eines aktiven Marktes, sondern wurde eine Bewertungsmethode verwendet, können folgende Faktoren Anpassungen nötig machen:
Lange Instandsetzungszeiträume für in Besitz genommene Vermögenswerte sind ein Hinweis auf Veräußerungsschwierigkeiten, beispielsweise bedingt durch einen illiquiden Markt. In solchen Fällen sollten Wertaufholungen/Auflösungen kumulierter Wertberichtigungen auf den Vermögenswert entfallen. Der verlängerte Verbleib in der Bilanz lässt darauf schließen, dass die Bank die Vermögenswerte nicht zu einem höheren Wert verkaufen kann.
Hanns-Jörg Neumann
Managing Consultant
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