Gregor Roth und Udo Milkau, DZ BANK
In Europa bilden die genossenschaftlichen Banken mit rund 4000 lokal agierenden Banken ein flächendeckendes Netzwerk, welches Leistungen für mehr als 215 Mio. Kunden erbringt – und insbesondere 56 Mio. Mitglieder repräsentiert. In diesem Netzwerk wird tagtäglich ein signifikanter Teil aller europäischen Zahlungsverkehrstransaktionen durchgeführt. Im Sinne des Subsidiaritätsprinzips sind die lokalen Banken dabei für den Kontakt zum Kunden – oft Mitglieder – verantwortlich und kennen ihre Kunden durch die Nähe sehr gut – unabhängig ob Nähe nun die Filiale in der Fläche oder die Präsenz in elektronischen Medien bedeutet. Wo aber durch zentrale Strukturen Effizienz geschaffen werden kann, da liegt es sozusagen in den genossenschaftlichen Genen, solche subsidiäre Bündelung professionell zu nutzen. Dafür steht letztlich das Motto „Zusammen geht mehr“ – und dies gilt gerade im Zahlungsverkehr als einem sehr industriell geprägten Teil des Bankgeschäfts, wo Skaleneffekte („Economies of Scale“) eine ausschlaggebende Rolle spielen.
Vor diesem Hintergrund und angesichts des aktuellen Termins des nun endgültigen Auslaufens der nationalen Zahlungsverkehrsformate bietet es sich an, aus Sicht einer genossenschaftlichen Zentralbank - mit dem subsidiären Auftrag, im Zahlungsverkehr für effiziente Strukturen zu sorgen – einen Blick auf den „Zahlungsverkehr 2025“ zu wagen. Mit dem finalen Enddatum und dem weitgehenden Abschluss der Migration zur Single Euro Payments Area (SEPA) tritt eine Zäsur im europäischen Zahlungsverkehr ein. Mit SEPA existiert nun ein einheitlicher Raum, in welchem in der Größenordnung von 100 Mrd. Zahlungsverkehrstransaktionen pro Jahr stattfinden. Parallel zu der Entwicklung der SEPA-Formate durch das European Payments Council in einem selbstregulatorischen Ansatz der europäischen Banken seit 2003 hatte die DZ BANK die europäischen Opportunitäten für die genossenschaftliche FinanzGruppe in Deutschland erschlossen. Denn mit der frühzeitigen Etablierung von Equens als ersten paneuropäischen Zahlungsverkehrsabwickler wurden die Voraussetzungen geschaffen, dass lokale Volksbanken Raiffeisenbanken in Deutschland nicht nur an einer gesamthaften Bündelung von nunmehr ca. 15 % des europäischen Zahlungsverkehrsvolumens bei Equens teilnehmen können, sondern dass auch die gesamte technische Weiterentwicklung der Zahlungsverkehrssysteme für SEPA durch Equens „gebündelt“ wurde. Für genossenschaftliche Banken bedeutet die Teilnahme an SEPA eine passgenaue Verbindung von lokaler Kundennähe mit europäischer Effizienz.
Dass über SEPA oft mit negativer Konnotation berichtet wird, mag nun daran liegen, dass diese Effizienz im Zahlungsverkehr für Kunden unsichtbar „hinter dem Vorhang“ stattfindet. Trotz aller Umstellungsschwierigkeiten verlief aber die Migration der Kunden zu SEPA bis Anfang Januar 2014 wie von der DZ BANK erwartet. Daher hat die vom europäischen Kommissar Michel Barnier am 9. Januar 2014 vorgeschlagene „additional transition period” von weiteren sechs Monaten zu Verwunderung geführt, denn die ständig überwachte Umstellungsrate lag hin zum ursprünglichen Enddatum am 1. Februar 2014 im erwarteten Korridor. Die Kunden haben sich hier ein klein wenig so verhalten, wie bei Hausaufgaben zum Montagmorgen: Manchmal macht man diese schon am Freitag, meist übers Wochenende, oft sonntagabends und im Notfall montagmorgens im Schulbus. Abzüglich der nicht umstellungsrelevanten Transaktionen (Karten-Clearing und ELV, welche erst zu 2016 betroffen sind) waren aus Sicht der DZ BANK zu Beginn des Februars nur ungefähr 5 % noch nicht umgestellt. Was bedeutet aber nun das finale Datum 1. August? Für die Kunden werden sich die konkreten, greifbaren Auswirkungen erst später einstellen, wenn in enger Zusammenarbeit zwischen den Kunden und den Banken – und hier insbesondere den Banken mit entsprechender Kundennähe – die Möglichkeiten von SEPA für eine engere Integration der übergreifenden Rechnungs- und Bezahlprozesse nutzbar gemacht sein werden. Gerade dies setzt aber voraus, dass auch in Zukunft lokale Banken für ihre Kunden den Zahlungsverkehr anbieten können. Eine von der European Commission DG Internal Market and Services beauftragte Studie von PwC1 kommt aber zu dem Schluss [Zitat]: „The European Commission’s intention for SEPA has always been not only to further integrate the economic markets in Europe, but also to drive out inefficiencies by promoting competition among payment service providers and clearing mechanisms ..." und „Local banks ... will lose their attraction ... Consequently, [local] type C banks are likely to see their settlement volumes reduce, whereas the regional and global banks might well absorb this transaction volume.”
Aus Sicht der DZ BANK ist diese scheinbar logische Konsequenz – dass durch SEPA gerade die lokalen Banken, welche sich in der Finanzkrise als Stabilitätspfeiler erwiesen haben, aus dem Markt verdrängt würden – zu kurz gegriffen. Denn entscheidend für ein kundennahes und effizientes Zahlungsverkehrsangebot ist nicht die Größe der einzelnen Bank, sondern die intelligente Nutzung von Skaleneffekten. Es geht nicht um „klein gegen groß“, sondern um ein langfristig tragfähiges Geschäftsmodell. Und mit der subsidiären, zweistufigen Bündelung zum einen via DZ BANK (mit dann über 4,5 Mrd. Transaktionen im Jahre 2013) und zum anderen via Equens (10,6 Mrd. Zahlungsverkehrs- und 4,7 Mrd. POS- und GAA-Transaktionen). Bei dieser Entwicklung und bei der Bündelung des Zahlungsverkehrs mit anderen – nicht ausschließlich, aber vielen – genossenschaftlichen Banken von den Niederlanden (Rabobank) über Italien (ICBPI Group) bis nach Finnland (OP-Pohjola) war die Vision einer gemeinsamen SEPA ein starker Katalysator. Das Ergebnis ist eine subsidiäre Struktur mit lokalen Banken (mit dem Kundenkontakt), mit effizienter, zweistufiger Bündelung (Zentralbank und Equens) und einer starken europäischen Wirtschaftszone (SEPA).
Reicht dies alles aber für einen „Zahlungsverkehr 2025“ aus? Denn wenn man sich all die Berichte über aktuelle Neuerungen im Zahlungsverkehr vor Augen hält, dann könnte man den Eindruck erhalten, dass die Banken in Europa die Entwicklung verschlafen und mit SEPA „aufs falsche Pferd gesetzt“ haben. Liegt die Zukunft bei SEPA? Oder doch eher bei „Mobile Payments“? Dabei ist die aktuelle Entwicklung sehr stark von der Technik getrieben. Niemand wird bezweifeln, dass durch die Entwicklung von Smartphones und Tablets heute die Konsumenten eine Technik sprichwörtlich „in den Händen“ haben, welche vor wenigen Jahren noch nicht vorstellbar war. Und in einer Studie des UK Payment Council geht der Futurologe Ian Pearson2 noch weiter und spricht im Zusammenhang vom Zahlungsverkehr 2025 von „digitalen Juwelen“, „Zahlung per Handschlag“ (mittels Chips in der Haut) und „Augmented Reality“. Letztlich ist die Technologie aber immer nur die Frage, wie eine (elektronische) Zahlung nun ausgelöst wird: ob Karte, Online-Banking, Mobile- Apps – oder auch „digitaler Staub“. Die Vielzahl der technischen Verfahren - die meisten in isolierten Nischen oder als geschlossene Pilotversuche – hat daher schon zu der kritischen Bewertung geführt, dass eine „Balkanisierung“3 des Zahlungsverkehrs für die Kunden drohe. Dies wäre aber das genaue Gegenteil einer einheitlichen SEPA (trotz der Tautologie bei „single“), denn SEPA ist prinzipiell als interoperable Plattform aufgebaut, welche einen sicheren, stabilen und massentauglichen Zahlungsverkehr in Kooperation aller Teilnehmer ermöglicht. Dies schließt auch die Zusammenarbeit von unterschiedlichen Partnern ein; oder mit den Worten von Carl-Ludwig Thiele4: „Das Mit- und Nebeneinander von Banken und Nichtbanken im Zahlungsverkehr ist nicht mehr umkehrbar.“ Mit SEPA ist der Zahlungsverkehr zum einen noch stärker zu einem Ökosystem geworden, in dem alle Teilnehmer unabhängig von ihrer Rolle den gleichen Regeln unterliegen, um Sicherheit, Stabilität und allgemeine Verfügbarkeit sicherzustellen. Zum anderen ist es aber auch essentiell, dass alle Teilnehmer an diesem Ökosystem ein nachhaltiges und marktwirtschaftliches Geschäftsmodell umsetzen können.
Doch lassen sich mit dem Entwicklungshorizont 2025 auch Tendenzen erkennen, welche gerade dies in Frage stellen (vgl. Abbildung):
Aus Sicht der DZ BANK sind aber die genossenschaftlichen Banken in Europa gerade auch durch die gemeinsame Bündelung mittels eines Prozessors wie Equens gut aufgestellt, auch in solchen asymmetrischen Wettbewerbssituationen zu bestehen, bei denen die Banken den Ansatz von SEPA als interoperable Plattform vertreten, aber speziell durch nicht traditionelle Geschäftsmodelle herausgefordert werden. Dennoch erfordert eine Vision „Zahlungsverkehr 2025“ aus Sicht einer genossenschaftlichen Zentralbank offen für neue Handlungsoptionen zu sein, d. h. für:
Basierend auf diesen verschiedenen möglichen Modellen für eine geschäftliche Zusammenarbeit bietet SEPA auch für 2015 eine gute Basis, um hier einen starken europäischen Zahlungsverkehr anzubieten, lokale Kundennähe mit effizienten Skaleneffekten zu verbinden und weitere Handlungsoptionen offenzuhalten, welche sich aber immer in das subsidiäre Modell integrieren lassen müssen.
Zahlungsverkehr 2025 aus Sicht der Helaba (M. Jörg und M. Pink, Landesbank Hessen-Thüringen)